Pflanzenportrait eines Urzeitwesens – Der Bärlapp

by wildemoehre

Jeden Tag gehe ich ein und aus durch unsere Haustüre, an der eigentlich immer ein Türkranz hängt, aber irgendwann Anfang Juli bemerke ich, dass die Zeit wohl nur so an mir vor bei gerauscht sein muss. Was sich bis jetzt stimmig anfühlte, stimmt auf einmal gar nicht mehr. Wunderschön war unser Osterkranz aus Weidenzweigen mit flauschigen Kätzchen, gelben Schleifchen und weiß-gelbem Holzschmuck, bestehend aus Blumen, Vögelchen und einem Ei.  Die Kätzchen sind immer noch schön, daran lässt sich nichts kritisieren, aber andere Farben und Deko-Utensilien müssen her. Vielleicht lässt sich der Kranz so passend zur Jahreszeit wieder aufhübschen…

Sommer...

Er beschert uns ein rosarotes Rosenmeer und lila Lavendelblüten in unserem Garten, der Himmel strahlt blau, die Blümchen beginnen zu fruchten und wir können Beeren ernten. All das soll sich auch in unserem Türkranz abbilden und so habe ich den Kranz mit einer dicken rosa Rosenblüte (Nachbildung – wegen der Haltbarkeit), Brombeerfrüchten und Mohnkapseln aus unserem Garten gespickt. Die Schleifen repräsentieren die Farben des Sommers von rosenrosa über brombeer- und lavendellila bis hin zu himmelblau. Eigentlich wollte mein Liebster mir ja Heu bringen, damit ich unseren Türschmuck damit neu gestalten kann.  Sommer bedeutet ja auch duftendes Heu! Die Idee gefiel mir wirklich gut! Von einer Exkursion kam er aber statt mit Heu, mit Schlangen-Bärlapp (Lycopodium annotinum) nach Hause, noch ganz beseelt von dem Geistesblitz, dass man mit diesem doch wunderbar den Kranz umwickeln könne. Noch etwas skeptisch, entfernte ich die Kätzchen von den Weidenzweigen und machte mich dann aber doch an die Arbeit – man muss ja schließlich flexibel sein. Heraus kam ein wunderschöner neuer Hingucker für unsere Haustür. 

Rosa Rose mit unreifen Brombeerfrüchten
Grüne Mohnkapseln

Manchmal geht eben auch was schief

Leider hat sich meine Skepsis bewahrheitet und der Kranz blieb nur ungefähr zwei Tage wunderschön, denn der Bärlapp bleibt nicht grün wenn er trocknet, sondern wird braun. Das sieht dann eher nach Spätsommer als nach Sommermitte aus. Mein Liebster meint, so schlecht sähe der Kranz gar nicht aus, aber mir gefällt es nicht, ich werde es jetzt doch nochmal mit Heu versuchen. Jedoch wie so ziemlich alles im Leben hat die Sache zwei Seiten. Durch die Türkranzaktion habe ich mich nämlich mit dem Bärlapp auseinandergesetzt und das möchte ich euch nicht vorenthalten. Statt einer Anleitung, wie man einen schönen Kranz bastelt, erfahrt ihr an dieser Stelle ein paar interessante Details über das “Urzeitwesen” Bärlapp und zumindest gibt es noch ein paar schöne Fotos von dem Kranz, als der Bärlapp noch schön grün war. Und ganz nebenbei, in Deutschland ist der Schlangen-Bärlapp nach der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt (in Salzburg nicht). Daher hätte ohnehin noch eine Alternative, wie zum Beispiel ein ähnlich aussehendes Moos her gemusst. 

Schleifen in sommerlichen Farbtönen
Holzschmuck: Vögelchen

Und nun zum Bärlapp...

Der Schlangen-Bärlapp oder Sprossende Bärlapp bzw. Wald-Bärlapp, auch Schlangenmoos, Druidenfuß, Hexenkraut oder Gichtmoos genannt – was schon so einiges über ihn verrät – kommt in Nord- und Mitteleuropa in schattig, moosigen Hochwäldern, auf kalkarmen Böden und in Feuchtwäldern vor. In den Alpen steigt er bis zu einer Höhe von 2.000 Metern auf. Die wintergrünen Bärlappe bilden eine eigene Familie (Bärlappgewächse – Lycopodiaceae) und benötigen eine hohe Luftfeuchtigkeit. Dafür können sie aber auch im tiefen Waldschatten gedeihen, wo Blütenpflanzen keine Chance mehr haben.

Urzeitbewohner: Schlangen-Bärlapp (Lycopodium annotinum)

Urbewohner unseres Planeten

Bärlappe zählen zu den Gefäßsporenpflanzen, d.h., sie besitzen zwar, wie unsere höheren Pflanzen, Stützgewebe und Leitbündel für den Stofftransport (Gefäße), aber sie vermehren sich nicht durch die Verbreitung von Samen, sondern durch das Abwerfen von Sporen. Wie auch die Farne, Schachtelhalme und Moose sind die Bärlappe die wohl ältesten pflanzlichen Bewohner unserer Erde. Schon seit hunderten Millionen Jahren, also schon lange vor uns Menschen, besiedeln sie unseren Planeten und sind damit echte Urzeitgeschöpfe. Die größte Entfaltung erfuhren sie vor 300 Millionen Jahren im Steinkohlezeitalter, das ist fast doppelt so lange her, wie die Hochzeit der Dinosaurier!! Kein Wunder also, dass von diesen Pflanzen etwas Geheimnisvolles ausgeht. Sie sind nicht nur in Form und Gestalt besonders, ohne schöne und bunte Blüten – den sie blühen nie!! – wirken sie für uns manchmal vielleicht etwas unnahbar oder auch bizarr, wie beispielsweise die nackten sporentragenden Triebe des Ackerschachtelhalmes, wenn sie sich im Frühjahr aus dem Boden schieben. Für mich ist das jedes Jahr wieder aufs Neue faszinierend. Sie wirken auf mich wie aus einer Anderswelt und da ist eigentlich auch etwas dran. Denn seit dem Steinkohlezeitalter haben sich diese Pflanzen im Wesentlichen nicht mehr verändert. So gab es vor 300 Millionen Jahren zwar Bärlappe und Schachtelhalme so groß wie Bäume, von denen heute nur noch die Krautartigen übrig sind, diese aber haben anscheinend ihre Nischen gefunden, in denen nur wenige Anpassungen notwendig waren. Und natürlich haben solche “Urzeitpflanzen” auch eine lange ethnobotanische Geschichte.

Lycopodium clavatum, 14. August 2002, Lungau Zederhaus, Andreas Thomasser
Keulenbärlapp (Lycopodium clavatum) wegen seiner enormen Sporenproduktion schon früh von den Menschen verwendet

Zauber- & Hexenpflanzen

Bärlappe gelten als alte Zauber- und Hexenpflanzen. Früher glaubte man, sie würden vor dem bösen Blick, vor Hexen und vor Zauberei schützen. Das mit dem bösen Blick gefällt mir übrigens. Wie passend wäre das für einen Kranz gewesen, der in unserem Hauseingang hängt. Und aha, da haben wir es doch! Schon in alten Zeiten wurden aus dem Bärlapp anscheinend Kränze gebunden, aber nicht für dekorative Zwecke. Sie wurden unter die Decke in das Gebälk von Häusern gehängt und dass, weil sie so leicht waren und sich bei dem geringsten Luftzug bewegten. Wenn sich die Kränze einmal nicht bewegten, bedeutete dies, dass sich ein Dämon im Raum befinden müsse. 

Altes Heilkraut

Früher wurden Bärlappe unter anderem als Aphrodisiakum verwendet und waren für viele Völker der Welt auch Heilpflanzen. Insbesondere der Keulenbärlapp (Lycopodium clavatum) wurde schon früh von den Menschen verwendet, vermutlich wegen seiner sehr starken Sporenproduktion. So sind es neben dem Kraut vor allem die Sporen, die in der Volksheilkunde verwendet wurden. Sie wurden von den Trieben herunter geschüttelt, aufgefangen und als Puder zur Wundbehandlung und gegen das Wundsein kleiner Kinder, älterer und bettlägeriger oder fettleibiger Menschen verwendet. Das ganze Kraut wurde bei Erkrankungen der Geschlechts- und Harnorgane sowie bei Gicht (harntreibendes Mittel), Rheuma und Lebererkrankungen verwendet. Das Kraut soll nie gekocht, sondern nur mit heißem Wasser übergossen werden, eine Überdosis gilt als gefährlich. So haben Abkochungen wohl u.a. auch eine abortive Wirkung. Bärlapp enthält das Alkaloid Lycopodin. Wegen möglicher unerwünschter Nebenwirkungen, wie starkem Durchfall, Erbrechen und Reizungen der Schleimhäute wird Bärlapp heute kaum noch eingesetzt. Ausgenommen in der Homöopathie. Hier findet der Keulenbärlapp Anwendung als Mittel bei Hauterkrankungen, Kopfschmerzen und Leberleiden. 

Effektvoller Sporenstaub

Kriminalistik, Pyrotchnik & Technische Kuriosität

Hier wird es nun wirklich interessant. Die Sporen können nämlich auch für kriminalistische Zwecke verwendet werden!! Durch den Sporenstaub werden Fingerabdrücke und wegradierte Bleistiftnotizen sichtbar. Und noch ein aufregendes Geheimnis hat der feine Staub inne. Die ölhaltigen Zellen verbrennen nämlich in einer Flamme zum Feuerball, ohne dass dies zu einer Druckwelle führt und dass Asche entsteht. Deswegen wurden die Sporen früher auf Bühnen auch als Theaterblitz verwendet und auch Feuerschlucker bedienen sich der Sporen als Alternative zu Petrolium. Und sogar einen mit Bärlappsporen betriebenen Verbrennungsmotor hat es mal gegeben, denn ein Luft-Sporen-Gemisch ist explosiv. Die Erfindung namens “Pyreolophor” aus dem Jahre 1806 stammt von den französischen Brüdern Claude und Nicéphore Niépce. 

Man lernt ja nie aus

Wie war das noch? Man lernt ja nur wirklich weiter, wenn man auch mal Fehler macht. Also einfach mal Herumprobieren… Dieses “Türkranz-Experiment” hat nicht mein Wunschergebnis erzielt, schön war ja der Gedanke, dass der Bärlapp für eine Weile mit schützender Kraft das Gesicht unseres Hauses stärken würde. Klüger bin ich jetzt aber allemal und im Wald werde ich dem Bärlapp in Zukunft mit Sicherheit mit noch mehr Aufmerksamkeit begegnen und von dort die stärkende Kraft mit heim nehmen.

Alles Liebe!

Eure Wilde Möhre

Disclaimer! Wenn man selber Wildpflanzen sammelt und diese nutzt, muss man in der Lage sein, die Pflanze zu hundert Prozent sicher zu erkennen. Bei Unsicherheit ist von der Nutzung unbedingt abzusehen! Die auf dieser Seite zur Verfügung gestellten Informationen sind sorgfältig zusammengetragen und recherchiert. Dennoch übernimmt der Anbieter dieser Webseite keine Gewähr für die Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit der bereitgestellten Seiten und Inhalte. Die vorgestellten Hausmittel und Rezepturen ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Anwendung bei Babies, Kleinkindern, Kindern, Schwangeren und Menschen mit Bluthochdruck sollte in jedem Fall unter ärztlicher Begleitung bzw. nur mit vorheriger Abklärung durch einen Arzt erfolgen. Bei unklaren, schweren, akuten und anhaltenden Gesundheitsbeschwerden reichen Hausmittel nicht aus und es sollte ein Arzt konsultiert werden. Das Nachmachen der Rezepturen und die Anwendung der Tipps geschieht auf eigene Verantwortung.

 

Fotos: ©Silja Parke, ©Andreas Thomasser; Flamme entsprechend der Verzichtserklärung Creative Commons CC0 von der kostenlosen Bilddatenbank Pixabay  entnommen

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