Mit großen Schritten geht es nun auf Ostern zu. Heute feiern wir den Palmsonntag, das ist der sechste und letzte Sonntag der Fastenzeit und der Sonntag vor Ostern. An vielen Orten finden Prozessionen statt, in denen bunt geschmückte Palmbuschen und auf einem Esel reitende Jesusfiguren eine wichtige Rolle spielen. Mit dem Palmsonntag beginnt die heilige Karwoche, deren Höhepunkt unser Osterfest ist.


Die Wilde Möhre bei der Prozession zum Palmsonntag
Die Wilde Möhre und ihr Liebster sind am heutigen Sonntag schon früh aufgestanden und mit ihren Palmbuschen zur Kirche gezogen, um sie dort zu weihen. Nur unter uns, normalerweise trefft ihr uns sonntags um neun noch kaffeetrinkend am Frühstückstisch an, wenn wir überhaupt schon so weit sind! So hätten wir uns heute auch fast den Namen „Palmesel“ eingefangen, das war früher nämlich ein liebevolles Schimpfwort für diejenigen, die verschlafen hatten und als letzte mit ihren Palmbuschen in der Hand in die Kirche eilten. Aber das ist eine andere Geschichte. Heute geht es im Blogpost nämlich um den Palmbuschen. Der interessiert uns, weil er sich aus sieben ganz besonderen Pflanzen zusammensetzt.

Von heiligen Palmenzweigen zum Palmbuschen
Am Palmsonntag wird dem Einzug Jesu Christi in Jerusalem gedacht. Auf einem Esel soll er eingeritten sein und das Volk ihm mit Palmwedeln zugejubelt und gerufen haben: „Jesus soll unser König sein“. „Hosianna“!
Im Mittelmeerraum galten Palmen als heilig und zudem als Symbol für das Leben und für den Sieg. Den christlichen Brauch der Prozession, in dem die biblische Geschichte mittels Prozessionsfiguren nachempfunden wird, soll es spätestens seit dem 8. Jahrhundert geben. In Rom wurden hierfür Palmzweige, wie in der Bibel beschrieben, verwendet.
Entlang des Nordalpenbogens und jenseits hiervon haben aus Mangel an Palmen jedoch andere Pflanzen in den Buschen gefunden. Wahrscheinlich aber geht die typische Zusammensetzung des Palmbuschens auch auf ein vorchristliches, heidnisches Brauchtum zurück. Denn einerseits erinnert die Prozession mit den Palmbuschen an Flurumzüge, mit denen vorchristliche Bauernkulturen den Frühling begrüßten und die Wiederauferstehung der Natur feierten und andererseits waren alle Pflanzen im Palmbuschen in ganz Mitteleuropa bedeutsame Pflanzen in der Volksmagie und von den Menschen verehrte Schutzpflanzen.


Aus was der Palmbuschen besteht
Die Palmbuschen werden auf Haselzweige gesteckt. Mancherorts wird vorher die Rinde der Zweige abgeschält. Früher glaubte man, dass sich zwischen Rinde und Zweig Dämonen verstecken könnten. Diesem wollte man gleich einmal vorbeugen. Manchmal sieht man auch mit Brezeln, bemalten Eiern oder roten Äpfeln geschmückte Zweige. Die Brezeln gelten als Glücks- und Segensbringer, die Eier sind typische Fruchtbarkeitssymbole und Äpfel können in der Symbolik ganz unterschiedlich verstanden werden. Schon früh sahen die Menschen im Apfel u.a. ein Symbol des Lebens, der weiblichen Kraft und der Fruchtbarkeit. Und nun zu den Pflanzen, die traditionell in den christlichen Palmbuschen gehören:

Die sieben Pflanzen im Palmbuschen
Weide (Salix spec.)
Die Weide war früher als Medizinpflanze hoch geschätzt und wurde von den Menschen als schmerzstillendes Mittel verwendet. Ein Aberglaube besagte zudem, dass drei verschluckte Palmkätzchen einen das ganze Jahr vor Halsweh und Fieber schützen. Die Weide gilt darüber hinaus als äußerst widerstandsfähiger Baum, der es selbst unter schwierigsten Bedingungen immer wieder schafft neu auszutreiben. Ein guter Grund sie als Kraftbaum zu verehren und in ihr das Motiv der Auferstehung zu sehen.
Buchs (Buxus sempervirens)
Der Buchs steht als Immergrün für das ewige Leben auch über den Tod hinaus. So sieht man ihn auch häufig auf Friedhöfen. Als Umfriedung von Gräbern sollte er die verstorbenen Seelen am Herumgeistern hindern. Der Buchs wurde als Wedel für Weihwasser verwendet und galt u.a. als Schutzpflanze gegen Blitz- und Hagelschlag. Bei aufziehendem Unwetter wurde er verräuchert.
Eibe (Taxus baccata)
Die Eibe galt schon bei den Germanen und Kelten als magischer Baum. Aus ihrem Holz wurden Runenstäbe und Schutzamulette gemacht. Aus Eibenholz fertigte man aber auch Pfeile und Bögen. Die Eibe lieferte darüber hinaus das Pfeilgift. Obwohl ihr aufgrund ihrer Giftigkeit eine Verbindung zum Tod zugeschrieben wird, symbolisiert sie auch Ausdauer und das ewige Leben, denn sie wird bis zu 2.000 Jahre alt. Im Sommer soll die Eibe ein Toxin ausdunsten, dass das zentrale Nervensystem beeinflusst und bei Menschen, die sich unter ihr befinden, Halluzinationen auslösen kann. Dies machte sie beliebt für schamanische Reisen in denen das alte ich stirbt und ein neues ich geboren wird.
Stechplame (Ilex aquifolium)
Als Immergrün steht die Stechpalme auch für das ewige Leben. Darüber hinaus war sie in der Volksheilkunde ein Mittel gegen Fieber und bei Grippe, ebenso wie bei Rheuma und Gicht. Inzwischen ist der Einsatz der Stechpalme als Medizin jedoch wegen ihrer Giftigkeit umstritten und unüblich, sie wird allenfalls homöopathisch oder als Bachblüte Nr. 15 Holly für Zufriedenheit und Ausgeglichenheit verabreicht.
Thuje (Thuja occidentalis)
Die Thuje ist der Lebensbaum und gilt als grünes Symbol für die Ewigkeit und des sich immer erneuernden Lebens. Ihr starker terpentinartiger Duft ist auf flüchtige Öle wie Thujon, Limoneen und Kampfer zurück zu führen. Sie haben eine stark desinfizierende Wirkung. Zudem schrieben die Menschen ihnen auch eine Schutzwirkung zu. So glaubte man, dass die Thuje geräuchert vor bösen Geistern schütze und auch die bösen Geister von den Toten fernhalte. Zimmer von Verstorbenen wurden mit Thuje ausgeräuchert. Auf vielen Friedhöfen ist die Thuje auch zu finden. Heute ist es nicht mehr üblich mit Thuje zu räuchern, da Thujon und Kampfer giftige Stoffe sind, die u.a. auf das zentrale Nervensystem, die Nieren und das Atemzentrum wirken.
Wacholder (Juniperus communis)
Als Immergrün steht auch der Wacholder für Ewigkeit, Fruchtbarkeit und Gesundheit. Bei den Germanen galt er als heiliger Baum. In dem Wacholder sahen die Menschen ebenso wie in der Eibe zwei gegensätzliche Pole: Zum einen den Baum des Lebens und gleichzeitig den Todesbaum. Auf Friedhöfen wurde er oft gepflanzt, um die Seelen der Toten vor dem Bösen zu schützen. Außerdem herrschte die Vorstellung, dass sich die Seelen der Toten im Wacholder versteckten, um dort auf ihre Wiedergeburt zu warten. Wacholder ist darüber hinaus eine alte Heil- und Räucherpflanze, die vor allem antiseptische und reinigende Eigenschaften besitzt und bei Reinigungs- und rituellen Räucherungen eine Rolle spielte. Dem Wacholder, der im Volksmund u.a. „Kranewitt“ genannt wird, wurde auch eine starke Schutzwirkung zugeschrieben. Dies wird u.a. in überlieferten Wendungen wie „Eichenlaub und Kranewitt, dös mag der Teufl nit“, deutlich.
Sadebaum (Juniperus sabina)
Noch ein Immergrün und ein strak giftiger Strauch, auch als „Stink-Wacholder“ bezeichnet. Vor allem die Spitzen der Zweige enthalten stark giftige ätherische Öle. Sadebaum war früher trotz seiner Giftigkeit als stark abführendes Mittel sowie gegen Warzen, als Wurmmittel und bei Gicht im Einsatz. Auch von der Verwendung des Sadebaums als Aborativum wird berichtet, was allerdings so einige Gefahr barg und bestimmt so manches mal nicht nur zum Schaden des ungeborenen Kindes, sondern auch der Frau führte. Im christlichen Ritual wurden die Zweige des Sadebaumes aber auch als Weihwasserwedel verwendet.

Rituale um den Palmbuschen
Ihr merkt schon, dass sich bei den Pflanzen im Palmbuschen immer wieder das Motiv des ewigen Lebens, der Erneuerung und der Lebenszyklen wiederfindet. Im Frühjahr feierte man die Auferstehung des Frühlings, es ging darum, die Fruchtbarkeit von Mensch, Tier und Vegetation zu wecken. Die Ankunft der Frühjahrsgöttin wurde symbolisch von Prozessionen begleitet. Die Menschen zogen mit Bildnissen der Göttin durch die Dörfer und Felder, um sie mit Fruchtbarkeit zu segnen.

Und so haben sich auch um den christlichen Palmbuschen einige Rituale entwickelt. Nach der Weihe wird er mit nach Hause genommen und damit der Herrgottswinkel im Haus geschmückt. Die Buschen werden auch in Felder und Wiesen gesteckt oder in den Ställen angebracht, um Schutz, Segen und Fruchtbarkeit zu bringen. Bei den Prozessionen kann man direkt die Landwirte erkennen, denn sie tragen statt einfachen Palmbuschen oft ganze, ebenfalls bunt geschmückte, Palmäste mit sich. Der Grund dafür ist, dass sie für jedes Feld einen geweihten Palmzweig benötigen, je größer der Hof ist, desto größer ist der Ast. Mancherorts werden die Palmbuschen auch unter dem Dach in den Dachstuhl gesteckt, um hier vor Blitzeinschlag und Unwetter zu beschützen. In den Rauhnächten, zwischen Weihnachten und dem Tag der Heiligen Drei Könige, werden die Pflanzen aus dem Buschen zum Teil verräuchert. Einige Landwirte gehen noch heute mit Räucherpfannen aufs Feld zum Räuchern und früher verräucherte man darüber hinaus bei aufziehendem Unwetter Schutzpflanzen aus dem Buschen auf dem Herdfeuer, um damit Blitz und Donner abzuhalten. Das alles steckt noch tief in uns drinnen, auch wenn es uns nicht bewusst ist und so stecken wir alljährlich unsere Palmbuschen in unsere Gemüsebeete, erfreuen uns der erwachten Natur und bitten freundlich um gutes Wetter, wenig Schädlingsbefall und Segen und Gesundheit für unsere Familie und unsere Ernte.
Eine wunderbares Osterfest wünscht euch
Eure Wilde Möhre
Letzte Änderung am 23. März 2018
Fotos: ©Andreas Thomasser
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